Verantwortlich für diese Seite: Gabriela Walter
Bereitgestellt: 11.11.2021
Bibel im Gespräch - Interview mit Kati und Fred Höhener, Dachsen
Das monatlich stattfindende «Bibel im Gespräch» besteht nun schon seit vielen Jahren. Aber was verbirgt sich eigentlich hinter diesem Angebot? Und was erleben die Teilnehmenden, wenn in der Mesmerschüür über die Bibel diskutiert wird? Wir werfen einen Blick hinein.
Zwölf Personen finden sich zum ersten Treffen nach langer, corona-bedingter Pause ein. Einige regelmässige BesucherInnen haben sich entschuldigt. Aber auch so ergibt sich eine grosse Tischrunde im Begegnungszentrum. Alle sind froh, einander wieder begegnen zu können. Obwohl die meisten bereits geimpft sind, bleiben die Gesichter noch maskiert. Zu Beginn erzählt man einander von den Licht-
blicken in den vergangenen Monaten: von Zoom-Konferenzen, brütenden Amseln und wohltuenden Begegnungen.
Auf dem Tisch liegt eine stattliche Anzahl von Bibeln. Und es steht Wasser zum Trinken bereit. Denn trocken geht es selten zu beim
«Bibel im Gespräch». Auch dieses Mal nicht, denn der Austausch über die Geschichten von Abraham und Sarah aus dem ersten Buch der Bibel liefert reichlich Gesprächsstoff. Die alten Texte erweisen sich als verblüffend aktuell, geht es doch immer um durch und durch menschliche Erfahrungen, die in den Geschichten verpackt sind: um Hoffnung und Verzweiflung, Treue und Verrat, Mut und Versagen, Freundschaft und Missgunst. Anderthalb Stunden sind im Nu vorbei, wenn die Diskussion angeregt ist.
Zwei regelmässig Teilnehmende, Kati und Fred Höhener aus Dachsen, erzählen, was sie motiviert. Die beiden sind schon seit ein paar Jahren dabei. Dass sie sich für biblische Themen interessieren, ist nicht ganz selbstverständlich, waren die Erfahrungen mit der Kirche in der Vergangenheit doch nicht nur positiver Art. In der eigenen Kindheit und Jugend innerhalb der reformierten Kirche erlebten sie die Vermittlung der christlichen Tradition als eher etwas spröde.
Kati beschreibt den vorherrschende Geist in der Kirche ihrer Jugend so: «Wenn der Pfarrer etwas sagte, dann hatte er einfach recht. Man musste vor allem viel auswendig lernen und es wurde nicht gross diskutiert.»
Im Rahmen ihrer sozialtherapeutischen Arbeit mit verhaltensauffälligen Jugendlichen im eher konservativen Toggenburg machten sie später die Erfahrung, dass Religion allzu oft mit Angst vor Strafe, zum Teil auch mit Hölle und Verdammnis verbunden war. Sie bezeichnen es daher als befreiend, im Gesprächskreis die Erfahrung zu machen, dass man die
biblischen Texte auch lebensnah und lebensbejahend verstehen kann mit viel Offenheit für unterschiedliche Auslegungen.
Was genau bewegt Euch, am «Bibel im Gespräch» teilzunehmen?
Fred: Ich habe den Eindruck: mit unserer heutigen Lebensweise hat man eigentlich wenig Zeit, um sich über grundlegende Sachen Gedanken zu machen. Die Leute, die die Bibel geschrieben haben, konnten sich dafür wahrscheinlich sehr viel mehr Zeit nehmen. Daher finde ich es eine Bereicherung, dass man in die Geschichten eintauchen kann. Was ich speziell schätze: Dass man in gewisser Weise angeleitet wird, die Texte und die Hintergründe besser zu verstehen. Ich profitiere davon, wenn ich verstehe, was die Menschen sich damals überlegt haben und warum diese Texte immer noch aktuell sind.
Wie wichtig ist der Austausch in der Gruppe?
Fred: Das ist unterschiedlich. Manchmal ist es überraschend zu sehen, dass es ganz verschiedene Auffassungen gibt. Manchmal kann ich aber auch nicht so viel damit anfangen. Das ist aber auch nicht schlimm. Positiv finde ich, dass es keine doktrinären Leute darunter hat, die unbedingt recht haben wollen. Alle sind bereit, einander zuzuhören.
Kati: Ich finde es interessant, wenn unterschiedliche Sichtweisen geäussert werden. Es ist auch gut, wenn verschiedene Auffassungen als ebenbürtig stehen bleiben dürfen und nicht beurteilt oder verurteilt werden. Man spürt, dass man eine eigene Meinung haben darf, auch wenn sie vielleicht nicht so populär ist und dass man nicht beurteilt wird.
Viele Menschen haben heutzutage Mühe mit der Bibel, mit den alten Texten und Geschichten. Wie geht euch das?
Kati: Von früher her habe ich noch den Geist im Nacken, dass man die Texte wortwörtlich glauben muss, so wie es geschrieben steht. Deswegen ist es für mich ein Gewinn, zu merken, dass man nicht alles sakrosankt eins zu eins nehmen muss. Wenn deutlich wird, dass man die Geschichten nicht unbedingt als wortwörtlich so passiert auffassen muss. Sondern, dass man Dinge auch symbolisch verstehen kann und dass die Texte eine grosse Symbolkraft haben. Das ist für mich ein grosses Geschenk: Dass es da eine grosse Freiheit in der Auslegung gibt.
Es gibt manchmal die Vorstellung, dass man besonders fromm sein muss, um an solch einer Gruppe teilzunehmen.
Fred: Diese Vorstellung ist wahrscheinlich immer noch verbreitet. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass es einfach interessant ist, wenn man Unterstützung beim Verstehen bekommt.
Kati: Mir kommt es auch eher vor wie eine Art Fortbildung. Ich habe gemerkt, dass ich viele Geschichten vergessen habe oder vergessen wollte, weil sie mir als Kind Angst gemacht haben. Jetzt habe ich das Gefühl, ich lerne sie neu kennen und lerne etwas hinzu. Nicht nur, was in der Bibel steht, sondern auch, was es in der heutigen Zeit bedeuten kann.
Was wünscht ihr euch für diese Arbeit?
Fred: Ich finde es schade, dass der Eindruck entstanden ist, dass es sich um ein Angebot vor allem für ältere Leute handelt, die bereits pensioniert sind. Seitdem man sich nachmittags statt abends trifft, können all diejenigen, die aktiv im Arbeitsprozess sind, nicht teilnehmen. Es entsteht der Eindruck, dass Kirche vor allem etwas für alte Menschen ist, und das macht es etwas einseitig. Ich finde es bereichernd, wenn unterschiedliche Lebenserfahrungen aus verschiedenen Generationen zusammenkommen. Wenn ich mir also etwas wünschen dürfte, dann ist es das: sich auch mit anderen Altersgruppen im kirchlichen Rahmen zu begegnen. Das fände ich spannend. Aber vielleicht müsste man dafür noch mal neu ansetzen, um auch jüngere Leute anzusprechen.
Interview Siegfried Arends, Pfarrer mit Kati und Fred Höhener, Dachsen
blicken in den vergangenen Monaten: von Zoom-Konferenzen, brütenden Amseln und wohltuenden Begegnungen.
Auf dem Tisch liegt eine stattliche Anzahl von Bibeln. Und es steht Wasser zum Trinken bereit. Denn trocken geht es selten zu beim
«Bibel im Gespräch». Auch dieses Mal nicht, denn der Austausch über die Geschichten von Abraham und Sarah aus dem ersten Buch der Bibel liefert reichlich Gesprächsstoff. Die alten Texte erweisen sich als verblüffend aktuell, geht es doch immer um durch und durch menschliche Erfahrungen, die in den Geschichten verpackt sind: um Hoffnung und Verzweiflung, Treue und Verrat, Mut und Versagen, Freundschaft und Missgunst. Anderthalb Stunden sind im Nu vorbei, wenn die Diskussion angeregt ist.
Zwei regelmässig Teilnehmende, Kati und Fred Höhener aus Dachsen, erzählen, was sie motiviert. Die beiden sind schon seit ein paar Jahren dabei. Dass sie sich für biblische Themen interessieren, ist nicht ganz selbstverständlich, waren die Erfahrungen mit der Kirche in der Vergangenheit doch nicht nur positiver Art. In der eigenen Kindheit und Jugend innerhalb der reformierten Kirche erlebten sie die Vermittlung der christlichen Tradition als eher etwas spröde.
Kati beschreibt den vorherrschende Geist in der Kirche ihrer Jugend so: «Wenn der Pfarrer etwas sagte, dann hatte er einfach recht. Man musste vor allem viel auswendig lernen und es wurde nicht gross diskutiert.»
Im Rahmen ihrer sozialtherapeutischen Arbeit mit verhaltensauffälligen Jugendlichen im eher konservativen Toggenburg machten sie später die Erfahrung, dass Religion allzu oft mit Angst vor Strafe, zum Teil auch mit Hölle und Verdammnis verbunden war. Sie bezeichnen es daher als befreiend, im Gesprächskreis die Erfahrung zu machen, dass man die
biblischen Texte auch lebensnah und lebensbejahend verstehen kann mit viel Offenheit für unterschiedliche Auslegungen.
Was genau bewegt Euch, am «Bibel im Gespräch» teilzunehmen?
Fred: Ich habe den Eindruck: mit unserer heutigen Lebensweise hat man eigentlich wenig Zeit, um sich über grundlegende Sachen Gedanken zu machen. Die Leute, die die Bibel geschrieben haben, konnten sich dafür wahrscheinlich sehr viel mehr Zeit nehmen. Daher finde ich es eine Bereicherung, dass man in die Geschichten eintauchen kann. Was ich speziell schätze: Dass man in gewisser Weise angeleitet wird, die Texte und die Hintergründe besser zu verstehen. Ich profitiere davon, wenn ich verstehe, was die Menschen sich damals überlegt haben und warum diese Texte immer noch aktuell sind.
Wie wichtig ist der Austausch in der Gruppe?
Fred: Das ist unterschiedlich. Manchmal ist es überraschend zu sehen, dass es ganz verschiedene Auffassungen gibt. Manchmal kann ich aber auch nicht so viel damit anfangen. Das ist aber auch nicht schlimm. Positiv finde ich, dass es keine doktrinären Leute darunter hat, die unbedingt recht haben wollen. Alle sind bereit, einander zuzuhören.
Kati: Ich finde es interessant, wenn unterschiedliche Sichtweisen geäussert werden. Es ist auch gut, wenn verschiedene Auffassungen als ebenbürtig stehen bleiben dürfen und nicht beurteilt oder verurteilt werden. Man spürt, dass man eine eigene Meinung haben darf, auch wenn sie vielleicht nicht so populär ist und dass man nicht beurteilt wird.
Viele Menschen haben heutzutage Mühe mit der Bibel, mit den alten Texten und Geschichten. Wie geht euch das?
Kati: Von früher her habe ich noch den Geist im Nacken, dass man die Texte wortwörtlich glauben muss, so wie es geschrieben steht. Deswegen ist es für mich ein Gewinn, zu merken, dass man nicht alles sakrosankt eins zu eins nehmen muss. Wenn deutlich wird, dass man die Geschichten nicht unbedingt als wortwörtlich so passiert auffassen muss. Sondern, dass man Dinge auch symbolisch verstehen kann und dass die Texte eine grosse Symbolkraft haben. Das ist für mich ein grosses Geschenk: Dass es da eine grosse Freiheit in der Auslegung gibt.
Es gibt manchmal die Vorstellung, dass man besonders fromm sein muss, um an solch einer Gruppe teilzunehmen.
Fred: Diese Vorstellung ist wahrscheinlich immer noch verbreitet. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass es einfach interessant ist, wenn man Unterstützung beim Verstehen bekommt.
Kati: Mir kommt es auch eher vor wie eine Art Fortbildung. Ich habe gemerkt, dass ich viele Geschichten vergessen habe oder vergessen wollte, weil sie mir als Kind Angst gemacht haben. Jetzt habe ich das Gefühl, ich lerne sie neu kennen und lerne etwas hinzu. Nicht nur, was in der Bibel steht, sondern auch, was es in der heutigen Zeit bedeuten kann.
Was wünscht ihr euch für diese Arbeit?
Fred: Ich finde es schade, dass der Eindruck entstanden ist, dass es sich um ein Angebot vor allem für ältere Leute handelt, die bereits pensioniert sind. Seitdem man sich nachmittags statt abends trifft, können all diejenigen, die aktiv im Arbeitsprozess sind, nicht teilnehmen. Es entsteht der Eindruck, dass Kirche vor allem etwas für alte Menschen ist, und das macht es etwas einseitig. Ich finde es bereichernd, wenn unterschiedliche Lebenserfahrungen aus verschiedenen Generationen zusammenkommen. Wenn ich mir also etwas wünschen dürfte, dann ist es das: sich auch mit anderen Altersgruppen im kirchlichen Rahmen zu begegnen. Das fände ich spannend. Aber vielleicht müsste man dafür noch mal neu ansetzen, um auch jüngere Leute anzusprechen.
Interview Siegfried Arends, Pfarrer mit Kati und Fred Höhener, Dachsen